Inge Lehmann

Seismologin & Entdeckerin des inneren Erdkerns

Geboren: 13.05.1888 in Kopenhagen, Dänemark

Verstorben: 21.02.1993 in Kopenhagen, Dänemark

Inge Lehmann - Seismologin, Erdforscherin, Entdeckerin des inneren Erdkerns

Wer war Inge Lehmann?

Inge Lehmann (*13. Mai 1888 in Kopenhagen; † 21. Februar 1993) war eine dänische Seismologin und Mathematikerin. Sie revolutionierte unser Verständnis vom Aufbau der Erde mit einer einzigen, bahnbrechenden Entdeckung: der Existenz eines festen inneren Erdkerns innerhalb des flüssigen äußeren. Ihre Theorie, die sie 1936 veröffentlichte, wurde später als eine der bedeutendsten seismologischen Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts gefeiert. Ihr beeindruckendes Leben wurde in der Autobiographie „If I Am Right and I Know I Am: Inge Lehmann, the Woman Who Discovered Earth’s Innermost Secret“ von Hanne Strager porträtiert (Werbung*).

Lehmanns Kindheit, Bildung & Weg zur Seismologie

Inge Lehmann wuchs in einem sehr fortschrittlichen Haushalt auf. Ihre Eltern, besonders ihr Vater Alfred Lehmann, ein renommierter Experimentalpsychologe, förderten ihre Bildung. Sie besuchte eine koedukative Schule – ein damals revolutionäres Konzept, wo Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet wurden. Mathematik wurde früh zu ihrer Leidenschaft, doch der Weg zur wissenschaftlichen Karriere war steinig.

Lehmann studierte Mathematik und Physik an der Universität Kopenhagen sowie am Newnham College der University of Cambridge. Ihr Studium wurde durch gesundheitliche Probleme und das Fehlen weiblicher Vorbilder erschwert. Dennoch schloss sie erfolgreich ab und wandte sich schließlich der Seismologie zu – einem Bereich, der damals fast ausschließlich von Männern dominiert war.

Gesellschaftliche Hürden & persönliche Entscheidungen von Inge Lehmann

Inge Lehmann war eine Frau in einer Welt der Männer – und eine Wissenschaftlerin in einer Zeit, in der Frauen oft keine Stimme hatten. Sie heiratete nie und hatte keine Kinder – vermutlich auch, weil sie sich ganz ihrer Forschung widmen wollte. Ihre Entscheidung, allein zu bleiben, war in ihrer Zeit ungewöhnlich, zeugt aber von ihrer Unabhängigkeit und ihrem unbeirrbaren Engagement für die Wissenschaft.

Oft wurde sie unterschätzt oder ignoriert – selbst nachdem sie ihre Theorie veröffentlicht hatte. Ihre männlichen Kollegen taten ihre Arbeit lange als spekulativ ab. Erst Jahrzehnte später wurde ihre Leistung international anerkannt. Dass sie trotz allem nie aufgab, macht sie heute zu einer Ikone feministischer Wissenschaftsgeschichte.

Ein bekanntes Zitat von ihr, das ihre Frustration über die Hindernisse ausdrückt, mit denen sie als Frau in der Wissenschaft konfrontiert war, und das die Schwierigkeiten betont, die sie bei der Durchsetzung ihrer wissenschaftlichen Arbeit hatte, lautet wie folgt:

Exkurs zum Aufbau der Erde: Die sieben Schichten unseres Planeten

Die Erde ist in mehrere Schichten gegliedert, die sich in Material, Temperatur, Zustand und Funktion unterscheiden. Dieses Konzept nennt man auch den Schalenbau der Erde.

1. Lithosphäre (0-100 km)

Die Lithosphäre ist die äußerste, feste Schicht der Erde. Sie besteht aus der Erdkruste und dem obersten Teil des oberen Mantels. Ihre Dicke variiert zwischen 50 km (unter Ozeanen) und etwa 110 km (unter Kontinenten). Als starre Gesteinshülle bildet sie die Grundlage der Plattentektonik. Die Lithosphäre ist in mehrere tektonische Platten unterteilt, die sich auf der darunterliegenden, plastischen Asthenosphäre bewegen. Diese Bewegungen führen zu Phänomenen wie Erdbeben, Vulkanismus und Gebirgsbildung. Geologisch gesehen besteht sie aus silikatreichem Gestein: ozeanische Kruste aus Basalt, kontinentale Kruste aus Granit. An der Mohorovičić-Diskontinuität („Moho“) ändert sich abrupt die Dichte – ein Indiz für den Übergang zum Erdmantel. Die Lithosphäre ist nicht nur geologisch bedeutend, sondern auch Lebensraum – sie enthält alle Landmassen und den Meeresboden. Als Fundament unseres Planeten verbindet sie geophysikalische Prozesse mit biologischer Vielfalt.

2. Astenophäre (100-300 km)

Die Asthenosphäre liegt direkt unter der Lithosphäre und ist zähplastisch – ein entscheidender Unterschied zur darüberliegenden starren Schicht. Hier erreichen Temperaturen bis zu 1.300 °C, wodurch Gestein teilweise aufgeschmolzen ist. Diese „weiche“ Zone wirkt wie ein Gleitlager für die tektonischen Platten. Durch Konvektionsströme in der Asthenosphäre werden Plattenbewegungen angetrieben – die Grundlage für Vulkanismus und Erdbeben. Chemisch besteht die Schicht vor allem aus Peridotit. Besonders spannend: Trotz ihrer Tiefe beeinflusst sie direkt geologische Prozesse an der Erdoberfläche. Ohne diese plastische Gesteinsschicht wäre globale Plattentektonik und damit die geodynamische Entwicklung der Erde nicht möglich. Auch als Wärmepuffer spielt sie eine zentrale Rolle. Die Asthenosphäre ist somit ein Schlüsselbereich für die thermische und mechanische Dynamik unseres Planeten.

3. Oberer Erdmantel (70-660 km)

Der obere Mantel reicht von etwa 70 bis 660 km Tiefe. Er besteht aus festem, aber deformierbarem Gestein und ist teils Bestandteil der Lithosphäre, teils der Asthenosphäre. Bei wachsendem Druck verfestigen sich die Gesteine trotz hoher Temperaturen von über 1.600 °C. Hauptbestandteil ist Peridotit, ein olivinreiches Gestein. In der Übergangszone (410–660 km) verändern sich Mineralstrukturen, was den Wärme- und Stofftransport stark beeinflusst. Der obere Mantel ist zentral für Konvektionsprozesse, die die Plattentektonik antreiben. In Subduktionszonen sinken Plattenreste in diese Zone, während heißes Material aufsteigt. Erdbeben, Vulkane und Gebirgsbildung haben hier oft ihren Ursprung. Der obere Mantel verbindet damit tiefe geophysikalische Vorgänge mit der sichtbaren Erdoberfläche.

4. Unterer Erdmantel (660-2900 km)

Der untere Mantel reicht bis in 2.900 km Tiefe und ist die mächtigste feste Schicht der Erde. Trotz Temperaturen bis 3.000 °C bleibt das Material aufgrund des extremen Drucks fest. Hier dominieren Bridgmanit und Ferroperiklas – Hochdruckmineralien mit hoher Dichte. Die Schicht ist entscheidend für den Wärmetransport aus dem Erdinneren. Heißes Material steigt auf, kühleres sinkt ab: ein Kreislauf, der die Plattentektonik von unten unterstützt. Auch „Superplumes“, riesige Hitzeströme, entstehen hier und beeinflussen Vulkane und Kontinentalbewegungen. Der untere Mantel ist daher nicht nur ein Wärmespeicher, sondern ein aktiver Motor der Geodynamik.

5. Flüssiger Kern (2900-5150 km)

Der äußere Erdkern besteht aus flüssigem Eisen, Nickel und leichten Elementen. Er erstreckt sich von 2.900 bis 5.150 km Tiefe und erreicht Temperaturen bis über 5.000 °C. Durch Bewegung dieses elektrisch leitfähigen Metalls entsteht das Erdmagnetfeld – ein lebenswichtiger Schutzschild gegen Sonnenstrahlung. Der äußere Kern ist seismisch gut erkennbar: Er lässt keine Scherwellen durch, was seinen flüssigen Zustand beweist. Die Strömungen im flüssigen Kern – gesteuert durch Temperaturunterschiede und Erdrotation – erzeugen den sogenannten Geodynamo. Ohne ihn gäbe es kein stabiles Magnetfeld und damit kein Leben, wie wir es kennen. Der äußere Kern ist also Dreh- und Angelpunkt für die elektromagnetische Stabilität der Erde.

6. Übergangszone (ca. 5150 km – fester Kern)

Die Übergangszone zwischen dem äußeren und dem inneren Erdkern liegt in etwa 5.150 Kilometern Tiefe und wird als Lehmann-Diskontinuität bezeichnet. Sie markiert den Wechsel vom flüssigen äußeren Kern zum festen inneren Kern – eine der entscheidenden Grenzschichten im Aufbau der Erde. Seismische Untersuchungen zeigen: Während P-Wellen diese Zone durchdringen, werden S-Wellen nur im festen Kern weitergeleitet – ein klarer Hinweis auf den Aggregatzustand.

7. Fester Kern (5150-6370 km)

Der innere Kern bildet das Zentrum der Erde und besteht aus festem Eisen und Nickel. Trotz Temperaturen um 6.000 °C bleibt er durch enormen Druck fest. Der Radius beträgt ca. 1.220 km. Dieser feste Kern wächst langsam, da sich Eisen aus dem äußeren Kern kontinuierlich ablagert – dabei wird Energie freigesetzt, die wiederum den Geodynamo antreibt. Seismische Untersuchungen zeigen, dass der Kern anisotrop ist: Schallwellen bewegen sich je nach Richtung unterschiedlich schnell – ein Hinweis auf komplexe Kristallstrukturen. Der innere Kern speichert nicht nur Wärme, sondern ist entscheidend für die langfristige Entwicklung des Erdmagnetfelds und somit für die Stabilität unseres Planeten.

Lehmann-Diskontinuität: Wie Inge Lehmann den inneren Erdkern entdeckte

1936 analysierte Inge Lehmann die Laufzeiten von P-Wellen (Primärwellen), die durch Erdbeben entstehen und sich durch die Erde ausbreiten. Die gängige Annahme lautete damals: Der Erdkern ist vollständig flüssig, daher dürften bestimmte seismische Wellen nicht durch bestimmte Regionen der Erde hindurchdringen – insbesondere nicht durch die sogenannte Schattenzone.

Doch Lehmann beobachtete in Seismogrammen, dass P-Wellen in genau diesen Schattenzonen dennoch auftauchten – zwar abgeschwächt, aber messbar. Diese Entdeckung widersprach der bestehenden Theorie.

Mit ihrem scharfen wissenschaftlichen Verstand schloss sie, dass diese Wellen an einer festen Struktur im Inneren reflektiert oder gebrochen worden sein mussten. Diese Struktur konnte nur ein fester Kern im Zentrum der Erde sein. Sie formulierte die Theorie eines zweigeteilten Erdkerns – einem äußeren flüssigen und einem inneren festen.

Die Grenzfläche zwischen diesen beiden Bereichen wird heute als Lehmann-Diskontinuität bezeichnet – benannt zu Ehren ihrer Entdeckung. Diese seismische Übergangszone in rund 5.150 Kilometern Tiefe gilt als Beleg für den Wechsel vom flüssigen zum festen Zustand im tiefsten Erdinneren.

Ihre bahnbrechenden Erkenntnisse veröffentlichte Lehmann in ihrer Arbeit „P’“. Erst viele Jahre später wurden sie durch moderne Messtechnik bestätigt. Heute bilden sie ein zentrales Fundament der Geophysik.

Berühmte Zitate von Inge Lehmann

  • „We take it that, as before, the Earth consists of a core and a mantle, but that inside the core there is an inner core in which the velocity is larger than in the outer one.“
  • „Sie sollten wissen, mit wie vielen inkompetenten Männern ich konkurrieren musste – vergeblich.“

Lehmanns Ehrungen & Auszeichnungen

Trotz der anfänglichen Skepsis gegenüber ihrer Theorie wurde Inge Lehmann im Laufe ihres Lebens vielfach geehrt. Sie erhielt unter anderem:

  • die William Bowie Medal (1971), die höchste Auszeichnung der American Geophysical Union
  • die Emil-Wiechert-Medaille der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft
  • Ehrenmitgliedschaften in zahlreichen internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften
  • 1993 – im Jahr ihres Todes – wurde ein Asteroid nach ihr benannt: 5632 Ingelehmann.
  • Auch der Inge-Lehmann-Preis der American Geophysical Union ehrt heute Forscher:innen, die bedeutende Beiträge zur Geodynamik leisten.

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